Am frühen Abend wurden Kai und ich von unserem Posten in der staubigen Kurve per Funkspruch abgezogen. Ich freute mich schon darauf, den Pinzgauer mit der Geländeuntersetzung den holprigen Pass hoch bis zum obersten Aussichtsposten zu prügeln. Endlich saß ich nicht selbst im Staub, sondern ich sorgte für eine riesen Staubwolke, die schon von weitem sichtbar war. Oben angekommen, war ich froh, dass ich unter den drei Bäumen einen Platz im Schatten finden konnte. Es gab dort sogar Holzbänke, die mich allerdings recht wenig interessierten.
Da ich von der Ausbildung wusste, dass man in der Nacht im Höchstfall Spotfire in bekanntem Terrain bekämpfte, ging ich davon aus, dass wir dort oben auf dem Plateau unser Nachtlager aufschlagen würden. Deshalb nahm ich direkt mein Feldbett aus dem Pinz und suchte mir ein bequemes Plätzchen unter einem der Bäume.
Ich lag kaum fünf Minuten -sogar nahezu entspannt- auf meiner Liege, als uns General Nikos mit dem Lada erreichte. Er teilte uns mit, dass der General der Berufsfeuerwehr Athen ihn gebeten hätte, dass wir im Brandgebiet Spotfires in den Rändern einer neu angelegte Brandschneise bekämpfen sollten. Es war gerade noch hell und vermutlich sollte uns diese Aufgabe bis zum Einbruch der Dunkelheit beschäftigen. Nikos bat mich ihn zur Erkundung der Schneise in seinem Lada zu begleiten. Der Plan war, mit den drei Pinzgauern in die Schneise einzufahren und dann bis zu etwa 75 m tief in den Baumbestand am Rand einzudringen und Brandnester zu löschen. Recht schnell wurde mir wieder einmal sehr deutlich gemacht, wie Plan und Wirklichkeit differierten.
Der Feuerwehrchef aus Athen lotste uns in Richtung Schneise, hinter uns Frank und Sergej im Pinzgauer „ESEPA 475“. Ich saß bei Nikos im Lada und hatte drei Rollen á 25 m D-Schlauch auf dem Schoß, als ich nach der nächsten Kurve in der bereits einsetzenden Dämmerung einen hellen Feuerschein von mindestens 20 m Höhe sehen konnte. Ich sagte zu Nikos, dass da wohl mit Löschrucksäcken und D-Schläuchen nichts mehr zu machen sei. Am Ende des Weges stand ein großes TLF 4.000 der Berufsfeuerwehr und blockierte die Zufahrt. Aber in diese Richtung hätte ich sowieso nicht fahren wollen.
Über Funk gab ich im Auftrag von Nikos dem Pinzgauer die Anweisung das TLF der Berufsfeuerwehr zu betanken. Unterdessen hat der Wind etwas gedreht und unsere Position war nicht die sicherste. Sofort gab ich über Funk durch, dass sich unsere beiden Pinz, die sich mittlerweile in diesem Abschnitt befanden, in Fluchtrichtung nach oben aufstellen sollten. Wir standen mit dem Lada etwas oberhalb des Pinzgauers von Frank, der nun nicht das TLF betankte, sondern wendete. Neben uns in einer quer verlaufenden Schneise saßen etwa 20 Mann, die als Fußtruppen in diesem Abschnitt arbeiten sollten. Im Gegensatz zu denen, fühlte ich mich im Lada recht sicher. Naja…beim Wenden hat Nikos den Lada auf einer Böschung aufgesetzt. Wir wurden aber relativ schnell von einigen der dort sitzenden Fußtruppen raus geschoben.
Unsere Anfahrt: http://www.youtube.com/watch?v=TifrhL4Ms9g
Die Flammenwand, die „nach Plan“ ein Spotfire sein sollte, bewegte sich über eine Breite von etwa 200 m und einer Flammenhöhe von mindestens 20 m auf uns zu. Deshalb galt die Devise „Abhauen!“ Ein guter Rat, dachte ich mir und ich war froh, als wir oben in vermeintlich sicherer Entfernung mit etwa 20 Fahrzeugen auf einer etwas größeren von den Bulldozern geräumten Fläche standen. Gut! Veränderte Situationen verlangen veränderte Maßnahmen. Nach und nach kamen aus dem gefährdeten Bereich mehrere große TLF der Berufsfeuerwehr und der Mönche, sowie einige Pickups mit Fußtruppen hoch gefahren. Manche Feuerwehrmänner, die keinen Platz auf einem Pickup fanden, hielten sich irgendwo an den TLF fest und legten so recht schnell den Weg in die vorrübergehende Sicherheit zurück.
Unser Problem war, dass wir nicht ortskundig waren. Nikos musste sich durchfragen. Offenbar bekam er einen „heißen Tipp“. Es gab in unserer Nähe einen „Safety-Point“. Wir fuhren sogleich mit unseren Fahrzeugen dorthin. Zwischenzeitlich habe ich wieder das Steuer des Pinz „ESEPA 480“ übernommen und der „kleine“ Fabian war wieder Beifahrer beim Chef.
Der „Safety-Point“ entpuppte sich als extra breite Brandschneise. Dort hatten die Bulldozer in den Tagen davor oder auch erst an diesem Tage eine Schneise von gut 60 m Breite planiert. Nikos erklärte uns die Taktik, die ich dann als „Schneisen springen“ bezeichnete. Wir positionierten unsere TLF auf der gegenüber liegenden Seite der Feuerwand, die sich unserer Schneise relativ schnell und auf einer Breite von gut 100 m näherte. Allerdings sahen wir auch an mindestens drei weiteren Stellen um uns herum sehr starken Feuerschein. Wir waren abgeschnitten und kamen nicht mehr von diesem Berg herunter.
Wir sollten abwarten bis das Feuer den Rand der Schneise erreichte und dort alles Brennbare niedergebrannt war. In der Zwischenzeit wären auf der anderen Seite die Bäume durch Funkenflug über unsere Köpfe in Brand geraten und wir hätten die Fahrzeuge auf die „schwarze“ Brandseite umgesetzt. Dann hätten wir wiederum hinter den Fahrzeugen – diesmal allerdings mit den heißen, abgebrannten Bäumen im Rücken – Deckung gesucht. Der Plan gefiel mir nicht wirklich. In diesem Moment hätte ich sicher gern mit den im Hotel verbliebenen Kameraden den Platz an der Poolbar mit meinem jetzt getauscht.
Die große Zahl an Fahrzeugen und Menschen im „Safety-Point“ beruhigte mich und ich fühlte mich trotz der immer näher kommenden Feuerwand recht sicher. In meinem Kopf spielte ich das bevorstehende „Schneisen springen“ durch, suchte meine Nomex-Flammschutzhaube heraus und band mit zusätzlich den Mundschutz um.
Nach ein paar Minuten schien auch Nikos unser Standort nicht mehr ganz zu gefallen. Wir fuhren ein Stück an den Anfang der Schneise als von links vorn plötzlich ein Feuerwehrmann auf mich zugelaufen kam und mir etwas aufgeregt auf Griechisch zurief. Ich rief ihm auf Englisch zu, dass ich nur englisch oder deutsch verstand. Er antwortete aufgeregt: „There is a fire in the Mainstreet! Hurry up!“ Ich dachte mir nur: „Wo zum Donner ist denn hier die Mainstreet? Und was geht die uns an? Wir stehen doch hier sicher…hoffentlich!“
Diesen Gedanken konnte ich nicht zu Ende bringen, denn über Funk kam von Nikos die kurze Anweisung: „Alarmfahrt! Alles mir nach!“
Wir fuhren so schnell es die Umstände hergaben hinter zwei großen Tanklöschfahrzeugen der Berufsfeuerwehr her. Frank und Sergej hingen im „Safety-Point“ hinter einem Tanker fest. Allerdings führte der Weg auf dem wir fuhren nur in diese eine Richtung und somit genau dahin wo wir hinwollten. Offenbar befand sich die große Schneise schon auf dieser „Mainstreet“, die in etwa 500 m Entfernung vor uns von den Flammen erreicht wurde.
Die Fahrzeuge vor mir hielten am Rand des Weges und alle sprangen eilig von ihren Fahrzeugen. Wir machten es genauso, nachdem Nikos uns bereits anzeigte, wo wir unsere Autos hinstellen sollten. Kai und ich waren auch gleich draußen. Mundschutz hoch, Helm auf und los ging es. Meine kleine Rosenbauer-Tragkraftspritze, die auf dem Heck des Pinzgauers verbaut ist, sprang nicht gleich an. Die Batterie des Elektrostarters war sehr schnell leer und ich musste die Pumpe per Seilzug starten. Nikos ging das alles nicht schnell genug! Mir auch nicht! Ich stand gute 20 m vom Feuer entfernt und konnte kein Wasser liefern. Nach 5-7 mal ziehen sprang die Pumpe endlich an. Ich versorgte ein C-Strahlrohr mit dem Björn ins Feuer marschierte und hatte weiterhin noch Kai mit einem D-Strahlrohr zum Löschen. Da Björn jedoch Maschinist vom „ESEPA 917“ war, gab er das Strahlrohr an einen Berufsfeuerwehrmann ab. Wie sich später heraus stellte war das der Chef der Berufswehr, seines Zeichens ein 3-Sterne-General, aus Athen höchst persönlich. Björn machte sich bereits daran mit Tobi den Funkenflug zu bekämpfen, um zu verhindern, dass die andere Seite der „Mainstreet“ Feuer fing.
Die Feuerwand, der wir hier gegenüber standen, war Respekt einflößend. Wir stemmten uns mit etwa 10 Fahrzeugen und etwa 30 bis 40 Mann gegen die Flammen und „feuerten“ mit Wasser aus allen Rohren. Zu meiner Überraschung auch mit schnell sichtbarem Erfolg. Auf der rechten Seite, wo wir 2 Pinzgauer stehen hatten, konnten wir die Flammen am Rande der „Mainstreet“ aufhalten und niederschlagen. Mein Pinzi war durch den Einsatz des „großen“ C-Rohres mit seinen 800 l Tankinhalt schnell leer. Ich stelle ihn etwas weiter den Weg runter ab und nutzte den Moment ein paar Fotos zu schießen und eine kurze Sequenz zu filmen. Hier der kurze Film auf Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=j04pAO6tOEs&feature=share
Schnell wurde ich jedoch wieder in die Arbeiten eingebunden. Ich sollte mit einem Mönch als Lotsen auf der Beifahrerseite zum Wasser tanken fahren. Es gab in der Nähe einen kleinen See aus dem schon seit einiger Zeit Löschwasser entnommen wurde. Im Schlepptau hatte ich Frank mit seinem Pinzgauer „ESEPA 475“, der ebenfalls kein Wasser mehr im Tank hatte. Also los geht’s, so schnell wie möglich durch die bereits finstere Nacht über die staubige Strecke. Frank berichtete mir später, dass er kaum noch mein Blaulicht sehen konnte und er froh gewesen wäre, wenn ich den Arbeitsscheinwerfer für die Heckpumpe mal eingeschaltet hätte.
So fuhr ich also mit einem schwarzen Mönch mit zotteligen, langen Bart und I-Phone durch die Dunkelheit. Er sprach sehr gut englisch und wir unterhielten uns angeregt. Er wollte wissen woher ich kam und was mich nach Griechenland geführt hatte. Er war überrascht bei den Löschmannschaften auf Deutsche zu treffen. Ich erklärte ihm also das ESEPA-System, während ich mit Blaulicht sehr flott zum Wasser fassen fuhr.
Plötzlich bemerkte ich Wassertropfen auf meiner verstaubten Windschutzscheibe. Ich dachte es sei Löschwasser, was sich auf die Scheibe verirrt hatte als ich losgefahren bin. Auch der Mönch bemerkte sie und als es immer mehr Tropfen wurden, strahlte sein bärtiges Gesicht. Wir waren noch nicht am See angekommen, als es so richtig los ging. Mir kam es vor als ob der Himmel alle Schleusen öffnete. Der Mönch neben mir stammelte dauernd: „Oh what a bless! What a bless!“ Ich wusste ja nicht wie viel Regen wir erwarten konnten, aber in diesem Moment wurde er immer stärker und es sah nicht so aus, als wollte er nachlassen.
Die Füllstandsanzeige meines Pinzgauers war leider nicht abzulesen, so dass ich beim Tanken nur bemerken konnte, dass der Tank voll war, wenn er überlaufen würde. So stand ich neben dem Auto, der Tank wurde befüllt und über mir wurde kübelweise Wasser vom Himmel her ausgekippt. Im strömenden Regen stand ich da, war bis auf die Haut nass und die jetzt schweren Brandschutzkleider klebten mir am Leib, während ich in diesen Sturzbächen erkennen sollte, dass mir Wasser aus dem Tank läuft. Aber man kann es erkennen.
Als sei ich in den See gefallen – so kam ich mir nach nur etwa 3-4 Minuten vor. Ich kletterte hinter das Steuer des 480 und der Mönch murmelte noch immer etwas von: „What a bless!“ und „Wonder“. Er sagte mir, dass er noch nie in seinem Leben einen solch starken Regen erlebt hätte. Er war so stark, dass ich meine Rückfahrt sogar kurz unterbrechen wollte.
Da fiel mir allerdings ein, dass statt des Mönchs eigentlich Kai auf dem Beifahrersitz sitzen müsste und auch neben Frank, der hinter mir stand, eigentlich Sergej sitzen musste. Also fuhren wir langsam und vorsichtig durch den sintflutartigen Regen. Sturzbäche flossen den Weg herunter und da wo es vor 10 Minuten noch knochentrocken und staubig war, hatten wir knöcheltiefen Schlamm. Vorsichtshalber legte ich die erste Sperre des Pinzgauers ein und nach 5-7 Minuten Fahrt erreichten wir wieder unsere Einsatzstelle. Ich fuhr auf den Lada von General Nikos zu, der vor einem TLF der Berufsfeuerwehr stand. Ich stieg aus, der Mönch auch und hinter uns stieg Frank ebenfalls aus. Er fing an zu tanzen, warf die Hände in die Luft und trällerte: „I´m singing in the rain!“ Ich ging zu Nikos hin, sagte: „Wir haben Wasser geholt! Ist das genug?“ und lachte.
Rundherum war keine einzige Flamme mehr zu sehen. Es war stockdunkel. Nur die Lichter der Fahrzeuge erhellten den Weg auf dem wir standen. Die Rundumlichter schalteten wir ab und warteten in den Autos darauf, dass der Regen schwächer wurde. Ich saß in meinem kleinen Pinzgauer und konnte das eben erlebte nicht glauben. Aber es war genauso, wie ich es hier beschreibe. Der Regen kam wie bestellt genau im rechten Moment. Später konnte ich den Bericht von Andreas Meier in der ESEPA-Facebook-Gruppe lesen: „Karsten sitzt im Regen in seinem Pinz – nass bis auf die Haut, aber glücklich!“ Genauso war es! Das Wunder von Mount Athos! So schnell werde ich das sicher nicht vergessen.
Wir räumten noch die Einsatzstelle ab. Einige Schläuche sind verbrannt. Aber wen stört das, solange niemandem von uns was passiert ist? Wir fuhren zu unserem Ausgangspunkt zu den drei Bäumen, von denen aus wir zum Löscheinsatz gestartet waren. Nikos wollte am Hafen die Lage erkunden und fuhr vor. Wir folgten ihm kurze Zeit später und parkten unsere Autos am Strand.
Ich richtete mir meine Schlafstätte hinter dem Steuer ein -„Hotel Pinzgauer Hof“. Ich hatte seit fast 40 Stunden nicht geschlafen. Das war in dieser Situation ein Vorteil. Ich schlief nicht gut, aber fest und war froh, dass ich jetzt genau da war, wo ich war.